Fast 500 Ärzte, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler, Trainer und Journalisten kamen gestern zur prevenTUM-Fortbildung „Muskeln. Sehnen. Herz." ins Klinikum rechts der Isar. Die Gastgeber Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München (um Univ.-Prof. Martin Halle) und die Abteilung für Sportorthopädie, Klinikum rechts der Isar (um Univ.-Prof. Imhoff) präsentierten und diskutierten neueste sportkardiologische und sportorthopädische Erkenntnisse und gaben konkrete Empfehlungen für den Praxis- bzw. Trainingsalltag.
„Früh genug eingreifen, nicht, dass man nachher nichts mehr reparieren kann", lautete das Fazit der Fachärzte der Abteilung für Sportorthopädie. Mit eindrücklichen Beispielen aus ihrer Ambulanz zeigten sie, welche Ergebnisse durch konservative bzw. operative Therapie erreicht werden können. Hinter Schmerzen und Einschränkungen in der Beweglichkeit stecke häufig ein multifaktorielles Problem, erklärten die erfahrenen Spezialisten, die seit vielen Jahren internationale Spitzensportler versorgen und beraten. Ein tägliches, gezieltes und durch Experten angeleitetes Training u. a. zur Kräftigung könne Therapieerfolge verbessern und weiteren Problemen vorbeugen. Bei Schmerzen und Sportverletzungen sei eine komplexe Therapie erforderlich. Die aktive Mitarbeit der Patienten sei dabei von entscheidender Bedeutung.
Frisch zurück aus Pyeongchang, informierte der Sportmediziner PD Dr. Johannes Scherr u. a. über die Herausforderung vor und während der Olympischen Spiele, die Spitzensportler und Medaillenhoffnungen vor Virusinfekten zu schützen. Zur Prävention habe sich bei den deutschen Athleten bewährt:
- Schleimhautpflege: Nasenspray mit Kochsalz bzw. Inhalation + mindestens drei Liter pro Tag trinken (Wasser, Tee)
- Impfprophylaxe
- Vitamin D- und Zinkmangel vermeiden
- Schlafmangel vermeiden
- Handdesinfektion
- gesunde Ernährung
Menschenmassen sowie Stress vermeiden, gelten zusätzlich als wichtige Tipps in der Vorbeugung. „Bei den Sportlern ließ sich das natürlich nicht vermeiden", erklärte Dr. Scherr. Dass die deutsche Mannschaft anders als andere Nationen vom Noro-Virus verschont blieb, führt er auf die intensive Infektprophylaxe zurück. So nutzte das Team phasenweise die Mensa des Olympischen Dorfes nicht mehr, sondern ließ sich über einen eigenen Koch separat verpflegen. Die Ärzte sensibilisierten die Sportler immer wieder, die Händedesinfektion zu benutzen und Händeschütteln zu vermeiden.
Ein großes Thema der Fachveranstaltung war auch, wie Sportler nach Virusinfekten einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) und dem Worst Case – dem plötzlichen Herztod – vorbeugen können. Dr. Scherr zeigte Beispiele junger Spitzensportler, die nach einer Influenza verstorben waren, weil sie zu früh wieder ins Training eingestiegen waren bzw. Wettkämpfe bestritten hatten. Seine Faustregeln – kein Sport bei:
- Fieber (38 Grad oder mehr bzw. Körpertemperatur 0,5 Grad höher als normal)
- Ruhepuls 10 Schläge höher als normal (morgens noch im Bett liegend messen)
- Erkältungssymptomen unterhalb des Genicks, etwa Gliederschmerzen („Neck-Check")
Ärzten empfahl er, Freizeit- und Leistungssportler genau und engmaschig anzuschauen, zu untersuchen und zu beraten. Ob ein Athlet sich wieder belasten könne, sei von vielen individuellen Faktoren abhängig. Als langjähriger Mannschaftsarzt des DSV verwies er hierzu auf sein vielfach veröffentlichtes Zitat während der Ski-WM 2011, als Maria Riesch zunächst aufgrund einer Influenza nicht trainieren konnte, drei Tage später dann Bronze holte: „Von den letzten Blutwerten her kann sie starten. Aber es sind nicht Blutwerte, die den Berg runterfahren, sondern es ist Maria." Die letzte Entscheidung treffen die Athleten.
Dass die deutsche Mannschaft bei den Olympischen Spielen im Medaillenspiegel an zweiter Stelle landete, führten Medien aus aller Welt nach einer Veröffentlichung der New York Times darauf zurück, dass die Athleten 3.500 Liter (alkoholfreies) Weißbier in Pyeongchang dabei hatten. In der weltgrößten Marathonstudie hatte Dr. Scherr nachgewiesen, dass dessen hochkonzentrierte Polyphenole das Immunsystem stärken, die Regeneration fördern und Athleten so ein härteres Training ermöglichen.
„Das Sportherz: physiologisch oder pathologisch?" lautete das Vortragsthema von Sportkardiologe Prof. Jürgen Scharhag. „Leistungssport scheint dem Herzen nicht zu schaden. Der plötzliche Herztod ist bei Leistungs-, aber auch Freizeitsportlern ein sehr seltenes Ereignis. Häufigste Ursachen für den plötzlichen Herztod seien in der Altersgruppe unter 35 Jahren vielmehr Kardiomyopathien bzw. angeborene Herzerkrankungen. Bei älteren Sportlern sei die Koronare Herzkrankheit (KHK) der häufigste Grund. Ionenkanalerkrankungen, eine akute Myokarditis oder hochgradigen Klappenerkrankungen erhöhten ebenfalls das Risiko, sagt Scharhag. Er rät daher auch Amateursportlern zu einem kardiovaskulären Screening. „Die Sporttauglichkeits-Untersuchungen sollten allerdings von Ärzten durchgeführt werden, die über Erfahrung mit Leistungssportlern verfügen", forderte der Mannschaftsarzt der U21-Fußballnationalmannschaft auch in Medscape.
„Kardiale Schädigungen durch Ausdauersport werden schon lange und kontrovers diskutiert, aktuell etwa die kernspintomographische myokardiale Kontrastmittelanreicherung bei 9 von 54 Triathleten im Alter von 44 +- 10 Jahren sowie die bei körperlich Hochaktiven im Alter von 55 +- 9 Jahren vermehrt nachgewiesene Koronarverkalkung", informierte der Sportmediziner. „Demgegenüber stehen aber Befunde an Hochleistungssportlern, die sowohl die physiologische Hypertrophie des Sportherzens als auch die höhere Lebenserwartung gegenüber der Normalbevölkerung belegen." Beispielsweise lebten 15.000 olympische Medaillengewinner durchschnittlich knapp drei Jahre länger als gematchte Kontrollen der Normalbevölkerung. Um verlässlich das kardiovaskuläre Risiko von Leistungssport beurteilen zu können, seien jedoch prospektive Längsschnittstudien notwendig.
Neben knapp 500 Ärzten, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftler, Trainer und Journalisten durfte Gastegeber Prof. Martin Halle auch zwei Special Guests begrüßen:
- Tosenden Applaus erhielt Weltseniorensportler Guido Müller (79), als er dem Publikum erzählte, wieviele Medaillen er bereits in der Senioren-Leichtathletik gewonnen hat - bisher 44x Gold bei Weltmeisterschaften. Aktuell hält er 15 Weltrekorde. Am kommenden Wochenende startet er bei den Deutschen Hallenmeisterschaften. Sport bedeutet für ihn Lebensqualität. Seit vielen Jahren kommt er zur präventivmedizinischen Untersuchung inkl. Laktattest ins Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München.
- Bianca Meyer, Siegerin des München Marathons 2017 und Deutschland-Siegerin des Wings for Life World Runs 2017 (mit 51,23 km)
Foto (von links):
PD Dr. Knut Beitzel und Prof. Andreas Imhoff von der Abteilung für Sportorthopädie, MRI, TU München sowie Prof. Martin Halle und PD Dr. Johannes Scherr vom Zentrum für Prävention und Sportmedizin der TU München.
Bildnachweis: Silvia Béres.