Gesprächsstoff Marketing- und PR-Agentur

18.06.2018

Kinder fürs Leben stärken – das rät die Psychologin Eltern und Großeltern

Sichere Bindungen als Voraussetzung für seelische Gesundheit: Informationsabend „Feinfühligkeit und Bindung im Kindergartenalter" der Krankenkasse BKK Mobil Oil und des Staatsinstituts für Frühpädagogik

Presseinfo, Pressefotos

Von „Mama, ich will nur mit Dir einschlafen" bis „Nein, ich ziehe die Schuhe alleine an": Im Kindergartenalter wechseln sich der kindliche Wunsch nach Nähe und Unterstützung, aber auch nach Selbständigkeit permanent ab. Für Eltern und Großeltern ist es eine besondere Herausforderung, den unterschiedlichen Grundbedürfnissen der Kinder nachzukommen und bei Ängsten und Wutanfällen möglichst „richtig" zu agieren. Wie sich gute Beziehungen aufbauen und pflegen lassen, wie man sinnvoll Grenzen setzt ohne die Beziehung zum Kind zu gefährden und wie der Nachwuchs lebenslang von feinfühligem Verhalten profitieren kann, zeigte Diplom-Psychologin Dr. Julia Berkic vom Staatsinstitut für Frühpädagogik bei einem Informationsabend der Krankenkasse BKK Mobil Oil in München auf. Die Veranstaltung unter dem Titel „Feinfühligkeit und Bindung im Kindergartenalter" war aufgrund zahlreicher Nachfragen zu Eltern zustande gekommen.

Vertrauensvolle, sichere Bindungen als Voraussetzung für seelische Gesundheit

Was brauchen Kinder für ihre seelische Gesundheit? „Vertrauensvolle, sichere Bindungen. Sie machen Kinder stark und ermöglichen ihnen, positiv durchs Leben zu gehen und ihre Potentiale zu entfalten", weiß Dr. Berkic, Mitautorin des neuen Buchs „Bindung – eine sichere Basis fürs Leben". Die seelische Fitness der Kinder lasse sich trainieren, so die wissenschaftliche Referentin, die sich für Primärprävention in Eltern-Kind-Beziehungen einsetzt („Eine Unze Prävention wiegt mehr als ein Pfund Therapie.").

Zwei Verhaltenssysteme verstehen und „die Wippe ernst nehmen"

Entscheidend für die psychische Entwicklung der Kinder seien vor allem das Bindungs- und das Explorationsverhaltenssystem. Bindungsverhalten ziele darauf ab, die Nähe einer bevorzugten Person zu suchen, um dort Sicherheit zu finden. Eine sichere Bindung fördere in jedem Alter auch die Unabhängigkeit des Kindes. „Nur, wenn das Kind sich sicher und ernst genommen fühlt, kann es seine Umgebung angstfrei erkunden und Selbstständigkeit entwickeln", so Dr. Berkic. Solange bei einem Kind Wohlbefinden vorherrsche, könne das Explorationsverhaltenssystem wirksam sein – Kinder erkunden die Umwelt und probieren Neues aus. Bei innerem oder äußerem Stress oder Überforderung – etwa Krankheit, Müdigkeit, Angst – werde dagegen das Bindungsverhaltenssystem eingeschaltet. Dieses sichere, steuere und reguliere die Nähe zwischen dem Kind und einer Bindungsperson. Beide Systeme seien wie eine Wippe miteinander verbunden – „arbeiten abwechselnd, nie gleichzeitig: Ein Kind, das belastet ist, wird nicht die Welt erkunden, bevor es durch eine vertraute Person wieder Sicherheit erfahren hat. Wenn also ein Kind hingefallen ist und sich wehgetan hat, hilft kein Spiel zur Ablenkung. Es möchte zunächst getröstet werden."

„Sichere Basis und sicherer Hafen"

„Bindung erfüllt immer eine Doppelfunktion", weiß Dr. Berkic: Einerseits das Trösten bei Überforderung, andererseits die Unterstützung des Erkundungsdranges und des Bedürfnisses, Neues zu lernen." Eltern sollten eine „sichere Basis" und ein „sicherer Hafen" sein. Damit Kinder sich gut entwickeln können, benötigen sie die Freiheit und das Vertrauen, sich von der Bindungsperson wegzubewegen und die Welt zu erkunden – aber auch die Sicherheit, bei Bedarf jederzeit zur Bindungsperson kommen zu können, um Schutz, Geborgenheit, Ermutigung und Trost zu erfahren. Um sich sicher fühlen zu können, müsse das Kind sich darauf verlassen können, dass die Betreuungsperson, wenn nötig, die Führung übernimmt, um es vor Gefahren zu schützen, um ihm Halt und Orientierung zu geben und um ihm zu helfen, seine Gefühle zu organisieren.

Intensive Gefühle regulieren

Wut, Frustration, Überforderung und Angst vor Neuem: Eltern und Großeltern von Kindergartenkindern sind immer wieder mit intensiven Gefühlen konfrontiert. Nicht wenige stoßen regelmäßig an ihre Grenzen, wenn beispielsweise Kinder aus für Erwachsene unbedeutenden Gründen einen Wutanfall bekommen – etwa, wenn im Supermarkt keine Süßigkeiten gekauft werden oder morgens beim Ankommen im Kindergarten ein Hausschuh verschwunden ist. „Das Gehirn von Kindergartenkindern ist noch nicht fähig, intensive Gefühle alleine zu regulieren", weiß Dr. Berkic. „Dafür benötigen Kinder viel Zeit und Übung und vor allem die verlässliche und feinfühlige Unterstützung der Betreuungspersonen."

Tipps der Expertin

- Was fühlst Du? Helfen Sie dem Kind, seine Gefühle und Bedürfnisse zu verstehen und in Worte zu fassen.

- Es ist ok, was Du fühlst! Nehmen Sie die Gefühle des Kindes ernst. Vermeiden Sie, die Gefühle zu bewerten oder herunterzuspielen. Unterstützen Sie das Kind aktiv dabei, die Gefühle zu bewältigen. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit negativen Gefühlen.

- Ich fühle mit Dir – aber ich bleibe bei mir! Stellen Sie eine Verbindung zum Gefühlsleben des Kindes her, aber heben Sie nicht die Grenze zwischen Ihnen und dem Kind auf. Das Kind muss spüren, dass Sie seine Verzweiflung ernst nehmen, aber gleichzeitig nicht selbst auch anfangen zu verzweifeln. Trauen Sie dem Kind zu, dass es die Gefühle mit Ihrer Unterstützung aushalten und bewältigen kann.

- Ich nehme alles ernst, aber nicht alles geht! Die Gefühle des Kindes ernst zu nehmen, bedeutet nicht, jedes Verhalten des Kindes zu akzeptieren – etwa, wenn das Kindergartenkind eifersüchtig auf das kleine Geschwisterkind reagiert.

- Jeder Mensch hat seine eigenen Gefühle! Bleiben Sie authentisch und zeigen Sie auch Ihre eigenen Gefühle in einer, dem Alter und Entwicklungstand des Kindes, angemessenen Weise.

Unterschied zwischen Wunsch und Bedürfnis

Eltern müssen nicht jeden Wunsch erfüllen – „Kinder müssen auch den Umgang mit Frustrationen sowie Kompromissen erlernen." Wichtig sei, Drohungen, Strafen, aber auch Belohnungen für Selbstverständlichkeiten zu vermeiden und klar zu kommunizieren, was vom Kind erwartet wird. Das verschaffe Orientierung.

Ergebnisse von Langzeitstudien

Wie sehr sich die Erfahrungen feinfühliger Zuwendung durch Eltern und Großeltern auf die weitere emotionale und soziale Entwicklung auswirken, belegen internationale Längsschnittstudien: Kinder, die lernen, ihre Gefühle gut selbst zu regulieren, können später besser
• intensive Gedanken und Gefühle selbst in den Griff bekommen
• Probleme und herausfordernde Aufgaben lösen und dabei Ausdauer zeigen
• Enttäuschungen verkraften
• Ratschlägen folgen und Hilfe annehmen
• sich kooperativ verhalten
• Empathie entwickeln
• Freundschaften schließen

Mehr soziale Kompetenz, weniger aggressives Verhalten

Seit den 70-er Jahren wurden viele hundert Babys und deren Familien untersucht – ab der Geburt bis ins dritte Lebensjahrzehnt. Sicher gebundene Kinder zeigten im Kindergarten mehr Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern und waren sehr viel konzentrierter beim Spiel. Sie kamen in Stress- und Konfliktsituationen besser zurecht. Bei ihnen wurde weniger aggressives Verhalten gegenüber anderen Kindern und weniger emotionale Abhängigkeit von den Erzieherinnen beobachtet. Als Jugendliche und Erwachsene zeichnen sich sicher gebundene Kinder durch eine hohe soziale Kompetenz, beziehungsorientiertes Verhalten sowie bessere Freundschafts- und Liebesbeziehungen aus.

Bildung durch Bindung

Dr. Berkic: „Grundlegende Kompetenzen wie Konzentrationsfähigkeit, Empathiefähigkeit oder Frustrationstoleranz werden immer in Beziehung gelernt. Das feinfühlige Fürsorgeverhalten der Eltern bildet die wichtigste Voraussetzung für die seelische Gesundheit von Kindern sowie für den schulischen Erfolg." Die Diplom-Psychologin weiter: „Lernen funktioniert über Bindung, nicht über Vorschulhefte. Die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung ist ausschlaggebend für das Interesse und die Motivation zu lernen."

Mehr Gelassenheit statt Leistungsdruck – „Feinfühligkeit ist kein Leistungssport"

Die Expertin betont: „Für „richtiges Verhalten in jeder Situation" gibt es kein Patentrezept. Man muss die Individualität jedes Kindes berücksichtigen." Um die Kinder zu unterstützen, sollten Eltern und Großeltern deren Gefühle ernst nehmen und sie wertschätzen. „Jedes Kind ist richtig, wie es ist." Ein Fehler sei, schüchterne Kinder ständig zu ermutigen, aktiv auf andere Kinder zuzugehen. „Wenn ein Kind alleine in der Legoecke sitzt, baut und zufrieden ist, ist das in Ordnung." Die Diplom-Psychologin weiß: Im Alltag ist es für Eltern und Großeltern nicht immer leicht, feinfühlig zu sein. Sie betont, mit Blick auf die Selbstfürsorge: „Feinfühligkeit ist kein Leistungssport. Verlangen Sie nicht zu viel von sich. Niemand ist immer perfekt – ein Optimierungswahn ist hier fehl am Platz. „Gut genug" ist das neue „perfekt".

Mehr Themen rund um das gesunde Heranwachsen von Kindern finden Eltern auch in der Rubrik „Kinderwelt" auf der Website der BKK Mobil Oil: www.bkk-mobil-oil.de/kinderwelt.