Kardiologe und Sportmediziner Dr. Dinic rät zu Sportpause, Sport-Check und behutsamem Start
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Gleich nach der Quarantäne wieder wie gewohnt trainieren oder Wettkämpfe bestreiten: So stellen sich das viele Freizeit- und Leistungssportler nach einem milden Verlauf ihrer Covid-19-Erkrankung vor. „Davon rate ich ausdrücklich ab. Auch Fälle im Profifußball oder im Profihandball mit Herzmuskelentzündungen oder Vernarbungen an der Lunge haben gezeigt: Corona darf nach wie vor nicht unterschätzt werden. Omikron ist nicht pauschal harmlos, das stimmt einfach nicht. Jeder Fall muss individuell betrachtet werden, um langfristige Schäden durch zu frühe zu intensive Belastungen zu vermeiden", betont der Kardiologe und Sportmediziner Dr. Milan Dinic.
„Bei einem Bänderriss zum Beispiel ist völlig klar, dass man sich erst wieder belastet, wenn die Verletzung vollständig verheilt ist. Das gleiche Verständnis muss für Corona etabliert werden. Sportler sollten sich ausreichend Zeit für die Genesung geben, danach langsam starten und sich dabei nicht vom Team oder vom Trainer unter Druck setzen lassen." Wie lange sollte man nach einem positiven Test mit Sport pausieren? Wie gelingt der Wiedereinstieg? Wer sollte sich untersuchen lassen? Welche Risiken bestehen bei einer zu frühen Belastung? Diese und weitere Fragen beantwortet der niedergelassene Münchner Mediziner im Experten-Interview mit der Mobil Krankenkasse.
Anders als bei der Delta-Variante erleben aktuell viele Sportler einen milden Verlauf. Wie erkennt man selbst, wann man wieder ausreichend belastbar für ein Training ist?
Dr. Dinic: „Hören Sie auf Ihren Körper. Starten Sie erst dann wieder mit dem Training, wenn Sie sich gesund fühlen. Wenn Sie Ihre Ruheherzfrequenz kennen, ist dies eine gute Möglichkeit, um zu erkennen, wie es um Ihre körperliche Belastbarkeit steht. Ist die Ruheherzfrequenz um zehn oder mehr Schläge erhöht, benötigen Sie noch Regeneration. Gleiches gilt, wenn sich Treppensteigen noch anstrengender anfühlt als zuvor. Gerade im Freizeitsport sollte man Mut zur Pause haben – denn da gibt es keine mögliche tägliche Kontrolle durch Ärzte wie im Spitzensport. Ein gründlich auskurierter Sportler ist langfristig leistungsfähiger als jemand, der eine Infektion verschleppt."
Welche Folgeschäden können durch einen zu frühen Sportbeginn auftreten?
Dr. Dinic: „Chronische Erschöpfungszustände, Lungenprobleme oder auch eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis) können mögliche Folgeschäden des SARS-CoV-2-Virus bei zu frühem Sportbeginn sein, die einen Wochen bis Monate ausbremsen können. Eine Herzmuskelentzündung nach Corona kommt nach neuesten Erkenntnissen zwar nur bei rund zwei Prozent der Betroffenen vor. Wer damit aber weiter trainiert, riskiert eine Herzschwäche, lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen und im schlimmsten Fall den plötzlichen Herztod. Die Herzmuskelentzündung ist die führende Ursache des plötzlichen Herztods im Sport bei unter 35-Jährigen. Das große Problem dabei ist, dass man sie meist nicht spürt. Die Symptome sind vielfach unspezifisch und werden daher nicht dem Herzen zugeordnet. Die Diagnose ist für Sportler oftmals sehr überraschend, das erlebe ich immer wieder in meiner Praxis. Müdigkeit, Leistungsabfall, Muskelkater oder erhöhter Ruhepuls können Anzeichen für eine Herzmuskelentzündung sein. Gleichzeitig können sie aber auch bei Übertraining auftreten. Hat man daher das Gefühl, nach der Corona-Erkrankung nicht mehr richtig auf die Beine zu kommen und keine Leistung bringen zu können, sollte man sicherheitshalber zum Arzt gehen."
Was antworten Sie Sportlern, die sagen, ich war doch nur ein paar Tage schlapp, hatte Halsschmerzen und ein bisschen Husten?
Dr. Dinic: „Ich rate jedem mit Symptomen zu Vorsicht und Geduld, denn falscher Ehrgeiz kann gefährlich werden. Wichtig zu verstehen ist: Eine Corona-Erkrankung verläuft in zwei Phasen. In Phase eins ist man positiv getestet. In Phase zwei, rund eine Woche nach dem Auftreten erster Symptome, beginnt der Körper mit einer gezielten Immunantwort. Er bildet passive Antikörper, welche die Viren binden und helfen, diese schnell unschädlich zu machen. Belastet man sich zu früh zu intensiv, schwächt man die Reaktion des Immunsystems, das Virus kann sich weiter ausbreiten, die Erkrankung kann voranschreiten und möglicherweise größeren Schaden anrichten. Es geht keinesfalls um Panikmache, vielmehr möchte ich Sportler für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Körper auch in Zeiten von Omikron sensibilisieren. Auch Omikron kann eine Entzündung der Mikrogefäße und damit Schäden unter anderem am Herzen, den Nieren, der Leber, dem Gehirn und den Nerven verursachen. Durch eine individuell ausreichende Sportpause kann jeder dazu beitragen, sein Risiko für Komplikationen zu senken."
Wie lange sollte man nach einem positiven Coronatest mit Sport pausieren?
Dr. Dinic: „Aufgrund der Omikron-Variante haben Fachgesellschaften wie das American College of Cardiology ihre Empfehlungen hinsichtlich „Return to Sports" kürzlich angepasst. Insgesamt sollten sich Sportler nicht mehr an starren Regeln orientieren – bislang hieß es, pauschal 14 Tage Sportpause. Für geimpfte Sportler, die komplett symptomfrei sind, gelten nun gelockerte Empfehlungen. Jedem Sportler mit Symptomen wird aber nach wie vor geraten, sich gründlich auszukurieren. Insgesamt hängt die Sportpause stets vom Verlauf und der körperlichen Ausgangssituation ab. Nachfolgend gebe ich einen Überblick."
Sportpause nach Corona: dies empfiehlt Dr. Dinic je nach Symptomen
• Covid-Infektion völlig ohne Symptome
Mindestens drei Tage sollten Sie komplett auf Sport verzichten. Danach, bis zum Ende der Quarantäne, können Sie leichte Workouts und Ausdauertraining zu Hause auf dem Ergometer durchführen, vermeiden Sie aber intensive oder lange Belastungen. Nach Ende der Quarantäne kann wieder Sport betrieben werden. Mit intensivem Training sollten Sie jedoch noch zwei Wochen warten.
• Covid-Infektion mit Erkältungssymptomen
Bis zur völligen Genesung sollten Sie keinen Sport treiben. Dies kann bis zu vier Wochen dauern. Fühlen Sie sich wieder gesund und leistungsfähig, starten Sie behutsam mit lockerem Training über ein bis zwei Wochen. Steigern Sie sich nur langsam.
• Covid-Infektion mit Lungenentzündung
Mindestens vier Wochen sollten Sie auf Sport verzichten.
• Covid-Infektion mit Herzmuskelentzündung
Je nach Verlauf ist eine absolute Sportpause von drei bis sechs Monaten erforderlich, in Einzelfällen kann es länger dauern.
Sollte jeder Sportler nach einer Corona-Erkrankung zum Gesundheitscheck gehen?
Dr. Dinic: „Eine sportmedizinische Untersuchung ist grundsätzlich für jeden Sporttreibenden sinnvoll, um Gewissheit über den individuellen Gesundheitsstatus und die körperliche Belastbarkeit zu bekommen. Jeder Sportler sollte auch einmal einen Herz-Ultraschall gemacht haben, um zu wissen, ob eventuell ein unentdeckter Herzfehler vorliegt. Ein Sport-Check nach Corona wird inzwischen nicht mehr pauschal allen Betroffenen empfohlen. Wer komplett symptomfrei war, kann nach einer Sportpause behutsam wieder einsteigen. Wer aber Symptome hatte, auch wenn diese nur mild waren, sollte sich vor dem Wiedereinstieg untersuchen lassen, um Risiken möglichst zu vermeiden. Nach einer Lungen- oder einer Herzmuskelentzündung sollte man sich ein weiteres Mal sportmedizinisch sowie gegebenenfalls fachärztlich untersuchen lassen. Je nach Beschwerden und Verlauf zählen zu einem Sport-Check nach Corona ein Ruhe-EKG, die Bestimmung der Entzündungswerte im Blut, ein Herz-Ultraschall, ein Belastungs-EKG und eine Lungenfunktion. Wenn erforderlich, können weitere Untersuchungen wie ein großes Blutbild auch mit Leber- und Nierenwerten, ein Stressecho oder eine Spiroergometrie durchgeführt werden."
Wie gelingt der Wiedereinstieg ins Training?
Dr. Dinic: „Ob Läufer, Triathlet, Fußballer oder Volleyballer: Dass sie ihren Trainingsrückstand nicht mehr aufholen und für Wettkämpfe nicht mehr richtig fit werden, fürchten ambitionierte Freizeitsportler oftmals und trainieren dann nach einem Infekt umso öfter und intensiver. Der Schuss kann aber nach hinten losgehen. Auch vor Corona hatten wir regelmäßig Patienten, die nach einem banalen, aber verschleppten Magen-Darm-Infekt eine Herzmuskelentzündung entwickelt haben. Man sollte nie sofort wieder an der Stelle ins Training einsteigen, an der man vor einer Infektion aufgehört hat. Meine Empfehlung lautet: Sind Sie vollständig symptomfrei, starten Sie langsam und hören Sie immer gut auf Ihren Körper. Fangen Sie mit leichten Alltagsaktivitäten wie Spazierengehen, vermehrtem Treppensteigen oder Radfahren an. Wenn sich die Belastung gut anfühlt und Sie nicht kurzatmig werden, können Sie in den nächsten Tagen mit leichten Trainingseinheiten fortfahren. Steigern Sie zuerst die Häufigkeit der Trainingseinheiten, danach die Dauer und erst zum Schluss die Intensität."
Auf welche Warnsignale sollte man achten?
Dr. Dinic: „Schnelle Erschöpfung, ein hoher Puls, verstärktes Schwitzen, Schwindel, Luftnot und Kopfschmerzen sind mögliche Beschwerden. Solche Warnzeichen sollte man ernst nehmen und einen Gang zurück schalten. Dann braucht der Körper einfach noch Zeit."
Was raten Sie Sportlern mit Long-Covid?
Dr. Dinic: „Wenn Symptome über einen Zeitraum von mehr als 28 Tagen nach der Infektion noch vorliegen, sprechen wir von Long-Covid. Laut der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin haben bis zu zehn Prozent aller Covid-19-Erkrankten mit Langzeitfolgen zu kämpfen. Auch junge, zuvor gesunde, ambitionierte Freizeit- oder Leistungssportler können davon betroffen sein. Beschwerden wie eine anhaltende Erschöpfung und Kurzatmigkeit können die Trainings- und Wettkampfleistung lange und deutlich beeinträchtigen. Betroffene Sportler sollten sich individuell und regelmäßig vom erfahrenen Sportmediziner beraten lassen und die Intensität ihres Trainings drosseln bis sie vollständig gesund sind."
Weitere Informationen unter www.mobil-krankenkasse.de/sportler-check-up.
Bildnachweis: Silvia Béres